Der runde Tritt beim Radfahren - so funktioniert's

Der "Runde Tritt" gilt als eine der wichtigsten Techniken im Radsport. Er beschreibt den Effekt, eine möglichst konstante Krafteinwirkung auf das Pedal über die gesamte Kurbelumdrehung zu gewährleisten, Energieverluste zu minimieren, die Effizienz zu steigern. Entscheidend für den runden Tritt ist dabei vor allem die Biomechanik, d.h. die Fähigkeit des Fahrers, seine vortriebswirksame Muskulatur gezielt in den verschiedenen Phasen des Trittzyklus zu aktivieren und für eine optimale Kraftentfaltung aufs Pedal zu sorgen. Unser Bike Fitter Stephan erklärt, was in den verschiedenen Phasen der Kurbelumdrehung passiert.

Der runde Tritt besagt nicht, dass die Leistung auf dem Pedal in jedem Punkt gleich groß ist. Es geht vielmehr darum, die Kraft zielgerichtet in die Rotationsbewegung der Kurbel umzusetzen.

Die Phasen der Kurbelumdrehung

Die Trittbewegung wird in vier Hauptphasen unterteilt, die sich in ihrer biomechanischen Bedeutung, aber auch in ihrer vortriebswirksamen Leistung unterscheiden:

  1. Druckphase

In der Druckphase wird die größte Kraft auf das Pedal ausgeübt. Etwa 75% der Gesamtleistung werden hier erbracht. Verantwortlich dafür ist vor allem die starke muskuläre Streckerkette, bestehend aus dem großen Gesäßmuskel und der vorderen Oberschenkelmuskulatur, im weiteren Verlauf nach unten wird auch zunehmend die Wadenmuskulatur aktiviert. Das entscheidende Kriterium für den größtmöglichen Wirkungsgrad ist die richtige Sitzhöhe. Nur so kann eine optimale muskuläre Entfaltung und das Zusammenwirken der verschiedenen Elemente erreicht werden. Auch die korrekte Kniebelastung hängt stark von der eingestellten Sattelhöhe und dem damit verbundenen Belastungsmuster ab.

Tri-Wissen: auf Triathlonrädern entstehen aufgrund der tieferen Oberkörperhaltung und stärkeren Vorverlagerung des Körperschwerpunkts über das Tretlager in der Druckphase bis zu 90% der gesamten vortriebswirksamen Leistung.

2. Zugphase

Die Zugphase beginnt bereits in der 4-5-Uhr-Position der Kurbel und ist die wichtigste Phase für den runden Tritt. Sie ist gekennzeichnet durch die zunehmende Streckung des Fußgelenks und Abkippen des Fußballens - damit wird der Druck aufs Pedal nun nach hinten umgeleitet und der untere Totpunkt bestmöglich überwunden. Die Streckerkette hat im unteren Totpunkt ihre größte Entfaltung erreicht. Nun beginnt die eigentliche Zugphase, die durch die Muskulatur der Oberschenkelrückseite (Hamstrings) aktiv eingeleitet wird.

3. Hubphase

Im Gegensatz zur Druckphase ist die Hubphase nur für ca. 10-20% der Gesamtleistung verantwortlich. Zur gleichen Zeit befindet sich das andere Bein jedoch in der Druckphase, so dass hier eine Ergänzung von Druck und Zug für den optimalen Vortrieb sorgt. Die Hubphase ist muskulär geprägt vom Zusammenwirken der Oberschenkelrückseite und des Hüftbeugers. Der Hüftbeuger zieht das Knie zunehmend nach oben, durch die feste Verbindung zum Pedal wird an der Kurbel eine zusätzliche Hubkraft erzeugt. Etwa ab der 9-Uhr Position wird zusätzlich die vordere Schienbeinmuskulatur aktiv. Diese bewirkt, dass der bis dahin stark nach unten gekippte Fußballen wieder in Richtung Schiebein gezogen wird und das Fußgelenk wieder in eine neutrale Position bringt. Damit wird die Schubphase eingeleitet.

4. Schubphase

Die Schubphase markiert der Übergang durch den oberen Totpunkt - hier ist der Hüftwinkel am kleinsten, der Fahrer kann hier nur die geringste Kraftwirkung aufs Pedal erzielen. Daher ist es wichtig, den "Schwung" des gegenüberliegenden Beins in der Zugphase bestmöglich mitzunehmen. Aus dem oberen Totpunkt heraus ist es dann zunächst wieder die Gesäßmuskulatur, aus der das Bein nach unten hin gestreckt wird. Der immer noch leicht gekippte Vorfuß wird dabei weiterhin muskulär nach oben in Richtung Schienbein gezogen bis die Fußstellung eine nahezu geradlinige Position erreicht. Dieser Punkt markiert den Übergang in die Druckphase.

Wie kann ich meine Muskukatur effizient einsetzen und rund treten?

Nach diesem Ausflug in die Biomechanik stellt sich natürlich die Frage: wie schaffe ich es, diese vielen Prozesse zu steuern? Muss ich mich immer darauf konzentrieren? Nein.

Das mit Abstand wichtigste Kriterium für den runden Tritt und eine optimale Kraftentfaltung ist die richtige Sitzposition auf dem Fahrrad. Durch die Einstellung von Sattel, Lenker und Pedalen wird beim Fahrer eine biomechanische Optimierung der verschiedenen Körperteile erzielt (muskuläre Aktivierung, Winkelstellungen, Hebelverhältnisse). Im Ergebnis muss man das Treten nicht bewußt steuern, sondern die Bewegungsstruktur der Beine wird durch die Position vorgegeben. Der Leistungsgewinn bei unseren Bike Fittings liegt im Durchschnitt zwischen 10-20 Watt. > Mehr erfahren

Zusätzlich kann der runde Tritt auch durch gezielte Trainingsmethoden geschult werden. Dabei steht die Verbesserung der intermuskulären Koordination im Vordergrund, also dem besseren Zusammenwirken der relevanten muskulären Ketten. Trittfrequenztraining lässt sich am besten zu Hause auf der Rolle realisieren.

Trainingsbeispiele

Einbeiniges Training: Beim Fahren mit nur einem Bein kann gezielt die Zug- und Hubphase trainiert werden. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass das Pedal durchgehend in Bewegung bleibt, ohne abrupte Totpunkte.

Trittfrequenz-Training: Eine höhere Trittfrequenz (90–110 U/min) fördert eine flüssige Bewegung und verringert das Risiko von ineffizienten Kraftspitzen.

Kadenzwechsel-Training: der Wechsel zwischen hoher (100 U/min) und niedriger Trittfrequenz (50 U/min) hilft, unterschiedliche Muskelbereiche zu aktivieren und die Bewegungskoordination zu verbessern.

Fazit

Der runde Tritt ist kein Geheimnis, sondern kann gezielt herbeigeführt werden. Vor allem die richtige Fahrradeinstellung wirkt sich in den optimierten muskulären Abläufen während der Trittbewegung aus. Zusätzliche Trittschulung im Training hilft, die Koordination der vortriebwirksamen Mukulatur weiter zu verbessern.


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