Ist Protein gleich Eiweiß? Nein. Ist Eiweiß gleich Protein? Ja. Die synonyme Verwendung der Begriffe „Eiweiß“ und „Protein“ entstammt der ernährungswissenschaftlichen Forschungsgeschichte und sorgt seit jeher für Verwirrung. Wie die Zusammenhänge bei Verwertbarkeit, Verbrauch, Verfügbarkeit und Verträglichkeit aussehen und wie man als Triathlet von deren Kenntnis profitieren kann, lest ihr hier.
Grundlagen
Der Anteil an Eiweiß ist auf nahezu jeder Lebensmittelverpackung deklariert. Dabei wäre der korrekte Begriff eigentlich Protein, denn das Weiße vom Ei ist damit in den wenigsten Fällen gemeint. Eiweiß / Eiklar besteht neben Wasser jedoch beinahe ausschließlich aus Protein, und so kam es im 19. Jahrhundert, dem Beginn der ernährungswissenschaftlichen Forschung, zu einer Vermischung beider Begrifflichkeiten die bis heute anhält. Im Folgenden wird nur noch der präzisere Begriff „Protein“ verwendet.
Neben Kohlenhydraten und Fett ist Protein der dritte Grundbaustein der Ernährung. Kohlenhydrate dienen primär der Energiegewinnung, Fett der Energiespeicherung, und Protein dem Aufbau und der Reparatur körpereigener Substanz wie Muskeln und Sehnen. Je höher der Reparatur- oder Aufbaubedarf, also je stärker die Trainingsbelastung oder der Trainingsreiz, desto größer ist die Bedeutung einer adäquaten Proteinversorgung.
Stickstoff macht den Unterschied
Was unterscheidet Protein nun von Kohlenhydraten und Fett? Nur Protein liefert das Element Stickstoff (chemisches Formelzeichen N) in einer für den Körper verwertbaren Form in ausreichender Menge. Der Stickstoff ist Bestandteil der chemischen Struktur der Aminosäuren, von denen es im menschlichen Körper 22 verschiedene gibt. Eine Verkettung von zwei bis ca. einhundert Aminosäuren bezeichnet man als „Peptid“, darüber hinaus spricht man von einem „Protein“. Um verwertet werden zu können, müssen Proteine durch den Verdauungsprozess wieder in einzelne Aminosäuren zerlegt werden.
Essenzielle Aminosäuren, BCAAs, Glutamin …
Im Bereich der auch auf Triathleten abgestimmten Nahrungsergänzungsmittel findet sich immer öfter die Aussage „Reich an ‚essentiellen Aminosäuren’ / BCAAs’ / Glutamin’“ etc., um die besondere Qualität der Produkte hervorzuheben. Was hat es damit auf sich?
In natürlichen Nahrungsmitteln (Milch, Ei, Fleisch, Fisch, Soja, Weizen etc.) sind die Aminosäuren überwiegend in Form von Proteinen gebunden. Charakteristisch für die ernährungsphysiologische Qualität oder „Wertigkeit“ der jeweiligen Nahrungsmittelproteine ist der Anteil der verschiedenen Aminosäuren darin, insbesondere derjenigen Aminosäuren, die der Körper aus anderen Nahrungsbestandteilen nicht selbst „zusammenbauen“ kann.
Diese Aminosäuren werden als essenzielle Aminosäuren bezeichnet und müssen mit der Nahrung in ausreichender Menge zugeführt werden. Im Einzelnen handelt sich dabei um Valin, Methionin, Leucin, Isoleucin, Phenylalanin, Tryptophan, Threonin und Lysin. Bei BCAAs (branched chain amino acids / verzweigtkettige Aminosäuren) handelt es sich um Peptide aus den essenziellen Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin, die sehr schnell resorbiert werden können.
Glutamin ist zwar keine essenzielle Aminosäure, in der Muskulatur ist sie aber in besonders hoher Konzentration vorhanden.
Ein hoher Gehalt an essenziellen Aminosäuren, BCAAs oder Glutamin ist also nie von Nachteil, reicht als alleiniges Bewertungskriterium für die Qualität der entsprechenden Produkte aber auch nicht aus. Denn für die Verwertbarkeit / Wertigkeit spielen noch andere Faktoren eine wichtige Rolle.
Verwertbarkeit und biologische Wertigkeit
Die Verwertbarkeit von Protein ist eng mit dem Begriff der „biologische Wertigkeit“, oft BW oder im Englischen BV (biological value) abgekürzt, verknüpft. Die biologische Wertigkeit beschreibt vereinfacht wieviel Gramm körpereigene Substanz aus einem Gramm Nahrungsprotein aufgebaut werden kann. Auch hier kommt es leicht zu Verwirrung, und Schuld daran ist wieder einmal das Ei. Um die biologische Wertigkeit verschiedener Nahrungsmittelproteine tabellieren zu können, suchte man einen Vergleichsstandard und wählte diesmal das „volle Ei“ oder „Vollei“. Dessen Zusammensetzung an Aminosäuren erhielt willkürlich den Wert 100. Dies ist zwar ein vergleichsweise guter Wert, bezeichnet aber nicht das Wertigkeitsmaximum im Sinne von 100 %.
Davon ausgehend wurden einzelne Nahrungsmittelproteine entsprechend ihrer Eignung zum Aufbau körpereigener Substanz bewertet. Generell schneiden Proteine aus pflanzlichen Quellen hierbei schlechter ab als solche aus tierischen Quellen (z.B. Bohnen BW » 70, Rindfleisch BW » 90). Dies ist insofern einleuchtend, als Pflanzen in der Regel keine Muskeln besitzen und solche weder bei sich noch bei ihren Nachkommen aufbauen oder reparieren müssen. Kombinationen verschiedener pflanzlicher Proteine können jedoch biologische Wertigkeiten nahe tierischer Proteine erreichen (z.B. Bohnen und Mais BW » 100 im Verhältnis 1:1). In Kombination mit tierischen Proteinen sind sogar darüber liegende Wertigkeiten möglich (z.B. Vollei und Kartoffeln BW » 140 im Verhältnis 2:1). Weitere Informationen und einige gute, insbesondere für Vegetarier und Laktoseintolerante interessante Beispiele dazu finden sich hier.
Im Internet sind zudem eine Reihe an Tabellen zur biologischen Wertigkeit verfügbar, auf deren Richtigkeit man sich, ebenso wie auf die Angaben der Hersteller von Nahrungsergänzungsmittel, jedoch nicht vorbehaltlos verlassen sollte.
Verbrauch
Wie viel Protein ein Triathlet benötigt ist individuell verschieden und abhängig von den jeweiligen körperlichen Grundvoraussetzungen (Alter, Geschlecht, Größe etc.) sowie der Trainingsbelastung. In der Regel wird für Sportler ein täglicher Bedarf von 1-2 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht angenommen, wobei die Wertigkeit des zuzuführenden Proteins jedoch leider nie erwähnt wird. Mit Blick auf die oben genannten Zusammenhänge ist aber klar, dass diese Empfehlung für einen Bohnenliebhaber in etwa die doppelte Verzehrsmenge bedeutet wie für jemanden, der den ganzen Tag nur Kartoffeln und Ei im Verhältnis 2:1 isst. Mit der Verzehrsmenge steigt aber auch der Kalorieneintrag und, insbesondere im Fall des Bohnenliebhabers, die durch das Verdauungssystem zu leistende Arbeit.
Während der Richtwert von 1-2 g / kg Körpergewicht zumeist ausreichend und mit dem abgestimmten Verzehr natürlicher Lebensmitteln problemlos zu decken ist, sollten Triathleten ihre Proteinzufuhr entsprechend ihres Körpergefühls anpassen. In Phasen extremer Belastung, wie beispielsweise einem Trainingslager oder während der Wettkampfsaison, kann eine erhöhte Zufuhr förderlich sein. Da in solchen Phasen zumeist aber auch insgesamt mehr gegessen wird, steigt die Proteinzufuhr automatisch an und bedarf, wie auch im Alltag, keiner speziellen Bilanzierung.
Für Triathleten bedeutsam ist jedoch nicht nur die Menge und Wertigkeit des zugeführten Proteins, sondern auch dessen Verfügbarkeit im Hinblick auf die zur Verdauung notwendige Zeit und die Dareichungsform.
Verfügbarkeit
Für die Verfügbarkeit von Protein sind zwei Aspekte wesentlich: die Geschwindigkeit mit der die Aminosäuren ins Blut gelangen (Resorption), sowie die Konsumierbarkeit (Convenience). Betrachtet man die Welt aus der Sicht eines Nur-Triathleten, so besteht der Tag aus Trainieren und Nichttrainieren. Abhängig von der Wettkampfdistanz haben die zu absolvierenden Einheiten eine Dauer von einer bis zu sechs Stunden. Dies entspricht 5 bis 33 % der im Wachzustand verbrachten Tageszeit.
Der Bedarf des Körpers an Protein ist in dieser Zeit nicht vermindert, sondern im Gegenteil erhöht, da zur Energiegewinnung immer auch Aminosäuren herangezogen werden, deren Verbrauch mit zunehmender Intensität und Dauer steigt. Eine für Läufer und Radfahrer nicht untypische Beobachtung ist es, nach mehrstündigen Lauf- oder Radeinheiten mit deutlich dünneren Beinen heimzukehren als man gestartet ist. Es ist also insbesondere an längeren Trainingstagen nicht empfehlenswert, sich zur Deckung seines Proteinbedarfs nur auf das Abendessen zu verlassen.
Eine Dose Thunfisch oder ein gekochtes Ei wären gerade bei längeren Belastungen aufgrund der hohen biologischen Wertigkeit also durchaus wünschenswert. Sie sind auf dem Rad oder beim Laufen aber eher schwer konsumierbar und benötigen viel Zeit zur Aufspaltung in Aminosäuren. Zudem wird das Verdauungssystem stark gefordert, was bei hohen Intensitäten eine direkte Leistungsminderung zur Folge hat.
Für das Problem der Verfügbarkeit, sowohl hinsichtlich Resorption als auch Convenience, halten eine Vielzahl an triathlonspezifischen Ernährungsprodukten verschiedene Lösungsansätze bereit.
Aminosäurepräparate
Aus physiologischer Sicht ist der geringst mögliche Verdauungsaufwand von Vorteil, d.h. das enthaltene Protein sollte nach Möglichkeit schon in Form von Peptiden oder Aminosäuren vorliegen, die wenig bis gar nicht weiter aufgespaltet werden müssen. Solche Produkte gibt es in Form von in Wasser einzurührenden Pulvern, Ampullen, oder als einfach mitzuführende Tabletten, die je nach Bedarf mit den ohnehin konsumierten Getränken zugeführt werden.
Da der Hersteller den Verdauungsaufwand und die, im besten Fall bereits optimale, Zusammensetzung hier sozusagen schon vorfinanziert hat, sind diese Produkte bezogen auf die Proteinmenge verhältnismäßig teuer. Ihr Einsatz hat direkt vor, während und direkt nach hochintensiven Trainingseinheiten oder Wettkämpfen, insbesondere von längerer Dauer, den größten Nutzen.
Proteinpulver- und riegel
In Milch oder Wasser einzurührende Proteinpulver sowie Proteinriegel weisen aufgrund der enthaltenen Proteine (zumeist aus Milch, Ei oder Soja gewonnen) und Verarbeitungsprozesse in der Regel eine hohe biologische Wertigkeit und, im Vergleich zu Dosenthunfisch oder Pellei, etwas leichtere Verdaubarkeit auf. Sie sind schneller konsumierbar und gehen nach einer harten Trainingseinheit meist auch leichter von der Zunge als Bratkartoffeln mit Ei.
Substitution Ja oder Nein?
Da in unserer Gesellschaft kein Mangel an natürlichen Proteinquellen oder verfügbarer Proteinmenge herrscht, liegt der Nutzen der genannten Nahrungsergänzungsmittel für Triathleten also weniger an der Versorgung mit Protein an sich, sondern in der Abstimmung auf das jeweilige Training und die momentan verfügbare Zeit für die Zubereitung natürlicher, hochwertiger Proteinquellen. Die ungezielte, überproportionale Versorgung mit einzelnen Aminosäuren ist im Kontext der biologischen Wertigkeit nur von eingeschränktem Nutzen.
Die verfügbaren Nahrungsergänzungsmittel wie Protein- und Aminosäurepulver, Proteinriegel, Aminosäureampullen und Dragees haben bei einem überlegten und auf die individuelle Trainingssituation abgestimmten Einsatz aber durchaus das Potenzial, die Regeneration und damit die Leistungsentwicklung zu fördern.
Eine im Hinblick auf die Proteinversorgung ebenso überlegte Grundernährung aus natürlichen Lebensmitteln können sie aber nicht ersetzen. Hier gilt generell, natürliche Proteinquellen nach Möglichkeit möglichst vielfältig zu kombinieren. So gibt es bei einem mit Magerquark bestrichenen, mit Kochschinken oder Fisch und Ei belegten Weizenbrötchen hinsichtlich der biologischen Wertigkeit und den zusätzlich enthaltener Nährstoffe kaum noch Luft nach oben.
Produktqualität
Hinsichtlich der zumeist als „optimal“ beworbenen Zusammensetzung der Produkte muss man entweder dem Hersteller vertrauen, oder sich auf Basis der hier vorgestellten Zusammenhänge selbst ein Urteil von der Qualität machen. Angesichts des im Rahmen vieler Dopingfälle immer wieder genannten Arguments, die positive Dopingprobe wäre auf verunreinigte Nahrungsergänzungsmittel zurückzuführen, sollte nicht nur auf die Zusammensetzung, sondern auch auf die Herkunft der konsumierten Produkte geachtet werden. Eine große Hilfe dabei ist die sogenannte „Kölner Liste“ des Deutschen Olympischen Sportbundes.